Anaboles Fenster: Was ist dran an dem Mythos?

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Die ganze Wahrheit über Eiweiß nach dem Training

Nach dem Workout sprintet ihr in die Umkleide, um in den ersten Minuten nach dem Training euren Shake zu inhalieren – denn sonst war das Quälen ja umsonst?! Wenn ihr der Theorie des anabolen Fensters glaubt, ist genau das der Fall. Aber wie viel Wahrheit steckt in dieser weitverbreiteten Aussage? Das und mehr klären wir hier!

Muskelaufbau-Training: Das läuft in eurem Körper ab

Um die Theorie des anabolen Fensters oder auch Proteinfensters zu verstehen, müsst ihr erst einmal wissen, was während des Trainings überhaupt in eurem Körper passiert. Vereinfacht gesagt stemmt ihr vor allem für den Muskelaufbau verdammt schwere Gewichte. Dafür braucht euer Körper Energie. Seine erste Wahl: Carbs – denn Kohlenhydrate sind von allen Nährstoffen diejenigen, die ihm am schnellsten Energie liefern. Der Haken: Die körpereigenen Glycogenspeicher in den Muskeln und der Leber sind begrenzt – bei einem Erwachsenen mit durchschnittlicher Fitness fassen sie rund 300 bis 350 Gramm Kohlenhydrate. Je nach Dauer und Intensität eures Workouts sind die Vorräte unterschiedlich schnell aufgebraucht. Euer Körper benötigt also eine alternative Energiequelle – und zwar eure körpereigenen Eiweißspeicher, eure Muskeln!

Als wäre das nicht fatal genug, zerstört intensives Krafttraining auch noch das vorhandene Muskelgewebe, was ihr häufig in Form von Muskelkater spürt. Um die feinen Risse und Schädigungen zu reparieren, braucht ihr Protein.

Bedeutet im Klartext: Das Training versetzt euren Stoffwechsel in einen katabolen, also abbauenden, Zustand – uncool, denn ihr wollt doch neue Gains aufbauen, oder?!

Auch interessant: Muskelabbau in der Trainingspause.

Eiweiß & Kohlenhydrate: Die Theorie des anabolen Fensters

Aus dieser Erkenntnis hat besonders die Bodybuilding-Szene geschlussfolgert, nach dem Workout müssten zeitnah Nährstoffe (Eiweiß und Carbs)  über die Ernährung zugeführt werden, um die katabolen Prozesse zu stoppen und stattdessen die anabolen, regenerativen zu starten.
Klassischerweise spricht das anabole Fenster von einem Zeitraum von bis zu 45 Minuten nach dem Workout, denn in diesem Zeitraum sollen der Körper und eure Muskeln besonders aufnahmefähig sein und maximal profitieren können. Manche sprechen hier auch von bis zu 60 Minuten, andere von nur 15 Minuten.
Weiteres Argument für das anabole Fenster: Binnen der ersten 45 Minuten soll die Proteinsynthese auf ihrem Maximum sein.
Kurz: Das anabole Fenster bedeutet also nichts anderes, als dass ihr euren Körper zwingend in den ersten Minuten nach dem Training mit Nährstoffen füttern solltet, um effektiv Muskeln aufzubauen.

Wie wichtig ist das Essen nach dem Training?

Aber stimmt das so wirklich oder ist das bloße Theorie?!
Um’s kurz zu machen: Ganz so ist es leider – oder zum Glück! – nicht. Auch die Studienlage ist hierzu alles andere als eindeutig – in letzter Zeit kristallisiert sich aber heraus, dass das anabole Fenster völlig überbewertet wird. Das fängt schon bei der angeblich in den ersten 45 Minuten nach dem Training erhöhten Proteinsynthese an: Studien haben gezeigt, dass diese zwar tatsächlich in den ersten 24 Stunden nach dem Training am höchsten ist, aber eben nicht nur innerhalb der ersten Minuten. Sogar bis zu 48 Stunden nach eurem Training läuft sie nachweislich noch immer höher als sonst.
Für euch bedeutet das: Ihr müsst nicht sofort nach dem Training essen, sondern generell in den 24 Stunden nach dem Workout. Natürlich wäre es krass, tatsächlich 20 Stunden zu warten und ich empfehle euch nach wie vor, eure leeren Energiespeicher nach dem Training zu füllen und die Regeneration somit zu unterstützen – aber ihr müsst dafür nicht mit dem Blick auf die Uhr zu eurem Shaker sprinten.

Generell müsste also schon mal die Definition des anabolen Fensters geändert werden: Eigentlich müsste der Zeitraum zwischen Ende der katabolen Stoffwechselvorgänge und dem Abschluss der vollständigen Regeneration gemeint sein. Und dieser Zeitraum ist viel länger als lediglich 45 Minuten. Je nach Belastung und Trainingsstand kann die Regeneration sogar bis zu 72 Stunden dauern – wer drei Tage nach ’nem harten Leg Day immer noch keine Treppen steigen kann, weiß, was ich meine!
Was ebenfalls gegen das anabole Fenster spricht: Nährstoffe, die ihr zu euch nehmt, müssen erst einmal den gesamten Verdauungstrakt durchlaufen, oft sind da auch noch Fette vorhanden, die die Verstoffwechselung verlangsamen. Selbst wenn ihr noch vor dem Duschen euer Post Workout Meal einnehmt, werden die Nährstoffe nur in den seltesten Fällen innerhalb des anabolen Fensters in eurem Blutkreislauf ankommen.

Das ist wirklich wichtig

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass während des Trainings die Nährstoffe in eurem Blut sind, die ihr im Rahmen eurer Pre Workout-Ernährung aufgenommen habt – und das rückt die Mahlzeit vor dem Training in den Vordergrund! Die liefert nicht nur die Energie, die ihr braucht, um wirklich schwere Eisen zu stemmen (und nur so baut ihr Gains auf!), sondern stellt eurem Körper auch Aminosäuren zur Verfügung.
Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ihr das richtige vor dem Training essen solltet: Studien haben gezeigt, dass sich das anabole Fenster bereits während des Workouts öffnet – nicht erst danach! Wenn ihr drüber nachdenkt, eigentlich logisch – schließlich zerstört ihr bereits zu Beginn eures Trainings die ersten Muskelfasern, habt aber noch einige andere Übungen und Sätze vor euch.
Was ist jetzt aber mit denen, die morgens nüchtern trainieren?! Wenn ihr dazugehört, ist die Theorie des anabolen Fensters schon eher was für euch, denn je länger der Abstand zur Pre Workout-Mahlzeit, desto mehr nimmt das Proteinfenster an Bedeutung zu. Wenn ihr jetzt morgens mit leerem Magen noch vor Büro oder Uni ins Gym geht, habt ihr eine nächtliche Fastenperiode hinter euch und viele Stunden nichts mehr gegessen. Eurem Körper fehlen jetzt wichtige Aminosäuren und Carbs, die ihr ihm möglichst schnell liefern solltet. In dem Fall würde ich euch auf jeden Fall raten, mindestens zum Post Workout-Shake zu greifen, besser noch zeitnah eine richtige Mahlzeit einzunehmen.

Vergesst dabei bitte nicht die Carbs: Auch wenn sie im Zuge des Low Carb-Booms ein echt mieses Image bekommen haben, sind sie verdammt wichtig für euch. Nicht nur, dass gefüllte Glycogenspeicher nachweislich für eine schnellere Regeneration sorgen, euer Körper reagiert nach dem Verzehr auch mit einer raschen Insulinausschüttung. Und Insulin sorgt dafür, dass die Nährstoffe über den Blutkreislauf fix dahin transportiert werden, wo ihr sie braucht – beispielsweise in eure Muskeln!

Übrigens: Auch wenn ich hier in erster Linie vom Hypertrophie-, also Muskelaufbau-Training, spreche, gelten die Tipps natürlich auch für den Fettabbau. Hier müsst ihr halt einfach eure Kalorienzufuhr entsprechend anpassen.

Fazit anaboles Fenster

Halten wir fest: Das anabole Fenster ist mehr Fitness-Mythos als hilfreiches Tool für euren Muskelaufbau. Gerade für Freizeitsportler ist eine minutiöse Protein- und Nährstoffaufnahme unnötig, solange ihr 3-4 Stunden vor und rund 2 Stunden nach dem Training einen Mix aus Eiweiß und Carbs zu euch nehmt. Ein zeitnahes Meal beschleunigt zwar die Regeneration, es gibt also eine Art anaboles Fenster – aber das ist viel länger geöffnet als behauptet.
Letztlich ist es für euren Erfolg nicht der Zeitraum entscheidend,  sondern dass ihr euren individuellen Kalorienbedarf deckt, ausreichend Kohlenhydrate aufnehmt und proteinreich esst. Dafür habt ihr den Tag über Zeit, entspannt euch also und stresst euch nicht unnötig wegen der Minuten direkt nach dem Workout!

Wie steht’s bei euch, haltet ihr euch an das anabole Fenster oder schaut ihr einfach, was den ganzen Tag über so auf euren Tellern landet?

Euer Prinz

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